Keine Rohheit, kein Dobermann, keine Psychiatrie | SchochenWau 29/2024

Das Gesetz verlangt Rohheit bei Tierquälerei | Bild von Alexa auf Pixabay
Das Gesetz verlangt Rohheit bei Tierquälerei | Bild von Alexa auf Pixabay

In München hat der Prozess gegen einen vermutlich geistig verwirrten 22-Jährigen aus Altenstadt begonnen, der mit einem Druckluft-Gewehr auf Polizeibeamte samt Diensthund geschossen hatte. Schäferhündin „Pretty“ erlitt bei einem SEK-Einsatz im Haus des Angeklagten schwere Verletzungen, die sie zum Glück inzwischen überstanden hat. Das Gericht wies zu Beginn darauf hin, dass bezüglich der Hündin nur eine Verurteilung wegen Sachbeschädigung in Betracht komme. Der Angeklagte habe in einem Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt, damit könne er das Tatbestandsmerkmal der Rohheit aus §17 Nr. 2a TierSchG nicht verwirklicht haben.1

Das Verwaltungsgericht Göttingen hatte sich erneut – rechtlich – um einen Dobermann zu kümmern, der im Januar behördlich sichergestellt worden war. Nachdem bereits der ursprüngliche Hundehalter vergeblich gegen ein fünfjähriges Haltungsverbot vorgegangen war (siehe hier), scheitert nun auch seine Lebensgefährtin mit einem Eilverfahren, gerichtet auf Herausgabe des Hundes. Sie habe das Tier eine Woche nach Sicherstellung geschenkt bekommen. Das Gericht blieb bei seiner Auffassung, dass die Sicherstellung rechtmäßig sei und es deshalb auch keinen Herausgabeanspruch des ursprünglichen Halters gibt, den er hätte abtreten können.2

In Luckenwalde ist ein Strafverfahren wegen übler Nachrede eingestellt worden. Angeklagt war eine Frau, die auf Facebook von Zuständen in einer Hundepension in Teltow-Fläming berichtete. Davon erfahren haben wollte sie, weil ihr Lebensgefährte dort für einige Monate beschäftigt war. Die Hunde, die dort zu Gast gewesen seien, seien regelmäßig „getreten, angeschrien, am Halsband hochgehoben und über einen Zaun geworfen“ worden. Das Gericht hörte mehrere Zeugen und sah sich sodann außerstande, die wahren Verhältnisse vor Ort aufzuklären. Allerdings sei „wohl etwas an den nicht unerheblichen Vorwürfen dran“ – daher die Einstellung des Strafverfahrens3.

Ebenfalls keine Verurteilung gab es in einem Prozess gegen einen 61-Jährigen aus Westerode, dessen Hund einen Polizeibeamten gebissen haben soll. Der Angeklagte, der sich zum Tatzeitpunkt in einer psychischen Ausnahmesituation befand, hatte die Einsatzkräfte selbst herbeigerufen. Als diese bei ihm eintrafen, stritt er sich mit seiner Ehefrau und griff diese körperlich an. Ein Beamter eilte ihr zu Hilfe, wurde jedoch vom Hund der beiden durch einen Biss in den Hintern gestoppt. Pikant am Rande: Der Polizist bot später an, gegen Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ in Höhe von 200 Euro von einer Anzeige abzusehen. Er mag dann auch „aus gutem Grund“ der Hauptverhandlung am Amtsgericht Goslar unentschuldigt ferngeblieben und ein Ordnungsgeld kassiert haben. Das Verfahren wurde ohne den Hauptbelastungszeugen gegen Zahlung von 200 Euro an einen Tierschutzverein eingestellt4.

In Bünde hat eine 32-Jährige einen Strafbefehl über 60 Tagessätze kassiert. Ihr Hund sei nicht artgerecht gehalten worden, unterernährt und in einem schlechten Pflegezustand gewesen. Eine dringend notwendige ärztliche Behandlung habe sie dem Tier nicht zukommen lassen. Die Angeklagte erschien nicht zur mündlichen Verhandlung5.

Jeweils 70 Tagessätze à 30 Euro gab es in Schwandorf für ein ukrainisches Ehepaar. Die beiden hatten (laut Anklage) im Sommer 2023 auf einem Parkplatz in Steinberg ihren Hund im Auto zurückgelassen, bei 36 Grad Außentemperatur. Das stark dehydrierte Tier war von der Polizei befreit worden. Ursprünglich waren in einem Strafbefehl nur 40 Tagessätze verhängt worden, die Staatsanwaltschaft forderte am Schluss der Hauptverhandlung 120 Tagessätze, während die Verteidigung darauf plädierte, eine Täterschaft der beiden Angeklagten sei gar nicht bewiesen worden.6

Schließlich bot die Presselandschaft noch Berichte über eskalierte Streitigkeiten: In Dresden artete die Aufforderung zweier Ordnungsamtsmitarbeiter, einen Hund anzuleinen, in körperliche Gewalt aus. Eine Zeugin brachte ein Video in die Verhandlung ein, auf dem zu erkennen war, dass außer dem Hund alle Beteiligten hoch erregt waren. Die Verfahren wurden gegen alle Beteiligten eingestellt7. In Berlin hingegen kam es zur Verurteilung eines 56-jährigen Hundehalters, der seinem Nachbarn nach Überzeugung des Gerichts Tier-Abwehr-Spray ins Gesicht gesprüht hatte8. Der Geschädigte hatte sich zuvor über Hundehaufen auf dem Gehweg beschwert. Das Urteil über 1.800 Euro Geldstrafe nahm der Angeklagte gerne an, weil zu Beginn der Verhandlung auch eine Unterbringung in der Psychiatrie im Raum gestanden hatte9.

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Quellenangaben:

  1. Merkur.de vom 17. Juli 2024. ↩︎
  2. Göttinger Tageblatt vom 21. Juli 2024. ↩︎
  3. Märkische Allgemeine Zeitung vom 16. Juli 2024. ↩︎
  4. Goslarsche vom 20. Juli 2024. ↩︎
  5. Westfalen-Blatt vom 20. Juli 2024. ↩︎
  6. Mittelbayerische Zeitung vom 15. Juli 2024. ↩︎
  7. tag24.de vom 15. Juli 2024. ↩︎
  8. Berliner Kurier vom 17. Juli 2024. ↩︎
  9. BZ vom 17. Juli 2024. ↩︎

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